Monika Queisser im Interview – Altersvorsorge ist Herausforderung in allen OECD-Ländern

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Die Staatsausgaben für die Altersversorgung in Deutschland befinden sich gemeinsam mit Polen, Spanien und Slowenien am Rande des oberen Drittels aller OECD-Staaten. Dennoch liegen die Lohnersatzraten - also das Verhältnis der Rente zum vorherigen aktiven Einkommen - in der Bundesrepublik am unteren Ende dieser Länder.

Monika Queisser leitet die Abteilung Sozialpolitik der OECD in Paris. Im Gespräch mit ihr wollte ich wissen, wie stellen sich die anderen OECD-Länder in Sachen Alterssicherung auf, wie verändern sich die Systeme und wie steht Deutschland im EU-Vergleich da.

Was sind die gemeinsamen Herausforderungen aller OECD­Länder in Bezug auf die Altersvorsorge?

Queisser: Alle OECD­-Länder sehen sich vor denselben Zielkonflikt gestellt: Angesichts einer alternden Bevölkerung gleichzeitig die finanzielle Stabilität und die soziale Nachhaltigkeit der Rentensysteme zu gewährleisten. Dazu sind in den letzten Jahren neue Probleme hinzugekommen: Viele OECD­-Länder kämpfen noch immer mit hohen Arbeitslosenzahlen, insbesondere unter jungen Menschen. In Systemen, die auf Beitragszahlung basieren, belastet das die zukünftigen Renteneinkommen und erhöht das Risiko von Altersarmut.

Im Bereich der privaten Altersvorsorge ist das anhaltend niedrige Zinsniveau eine gemeinsame Herausforderung.

Welche OECD­-Länder sind bei der Altersvorsorge besser aufgestellt als andere?

Queisser: Die Beantwortung dieser Frage hängt von den Kriterien ab, nach denen die Altersvorsorge beurteilt wird. Je nachdem, ob man das Rentenalter, die Rentenleistung oder die Kosten des Systems betrachtet, wird das Urteil anders ausfallen. Einige Länder wie die Niederlande oder die Schweiz haben schon lange Mischsysteme, die eine eher niedrige gesetzliche Altersvorsorge mit betrieblicher und privater Vorsorge flächendeckend verbinden. Andere Länder wie etwa Österreich setzen vorwiegend auf eine gesetzliche Sicherung mit hohen Leistungen, was sich in den Kosten niederschlägt. In Deutschland ist das Rentensystem auf einen finanziell nachhaltigen Pfad gebracht. Aber aufgrund der engen Beitrags­Leistungsbindung können Niedrigverdiener nur sehr geringe Renten erwarten.

Welchen Stellenwert hat in den OECD­Ländern aktuell die Eigeninitiative bei der Altersvorsorge?

Queisser: Um die Eigeninitiative und die Verbreitung freiwilliger privater Renten zu erhöhen, haben Großbritannien, Neuseeland und Chile sogenannte „Opt­Out“-Modelle eingeführt. Danach sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, ihre Beschäftigten automatisch in ein privates Alterssicherungssystem einzu­ schreiben. Sollten die Arbeitnehmer nicht teilnehmen wollen, können sie die Teilnahme jedoch kündigen. Andere Länder, in denen private Renten aufgrund begrenzter öffentlicher Systeme eine wichtige Rolle spielen, wie beispielsweise Irland, überlegen deshalb, ähnliche Regelungen einzuführen.

Reichen Bildung und Vorwissen der Berufstätigen für eine selbstverantwortete Altersvorsorge aus?

Queisser: OECD­-Studien zeigen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Jugendlichen große Defizite im finanziellen Wissen. Jeder Einzelne sollte so früh wie möglich über sein zukünftiges Alterseinkommen nachdenken und dementsprechend Vorsorge treffen. Informationskampagnen über Notwendigkeit und Optionen der individuellen Altersvorsorge sowie Aufklärung über finanzielle Risiken sind daher besonders für jüngere Altersgruppen von zentraler Bedeutung.

P.S. Monika Queisser hat in der MetallRente Studie 2016 "Jugend, Vorsorge, Finanzen" einen Beitrag  unter dem Titel: "Altersvorsorge und Finanzwissen. Ein internationaler Überblick" veröffentlicht (S. 102-116). Die Studie ist bei Beltz Juventa erschienen.