Sozialpartnerschaft im Risiko?

sozialpartnermodell

Das erste wird nicht das letzte Sozialpartnermodell bleiben. Ob ausgerechnet die Versicherungsbranche damit die Schleuse zu Firmentarifverträgen anstelle eigentlich angezielter Flächentarifverträge öffnet, bleibt abzuwarten. Im Sinne einheitlicher, verlässlicher Maßstäbe wäre eine Zerklüftung nicht wünschenswert. Ob erste, zweite oder dritte Säule – die Rentenkommission wird Vorschläge machen. Ob mit oder ohne explizite Garantien – die Tarifparteien können Fakten setzen.

Nun ist es raus, das erste Sozialpartner Modell – zumindest als valide Willenserklärung. Und es ist kein Flächentarifvertrag. Und ebenso wenig eine große Industriebranche, sondern die Versicherungswirtschaft. Respekt – es ist auf diesem Gebiet nicht leicht als erster auf dem Plan zu treten. Zu viele Risiken für die Reputation der Akteure bestehen allenthalben.

Das erste Modell entsteht in der Branche, die gegen das Herzstück des Sozialpartnermodells – die garantiefreie Beitragszusage – die meisten Einwände hatte. Vielleicht ein tiefgreifender Wandel im Denken – und in Geschäftsmodellen.

Andererseits – in den gleichen Zeitraum fällt der jüngste Tarifabschluss des Hotel- und Gaststättengewerbes, einer Branche mit weniger finanziellen Ressourcen, mit einer klassischen Versicherungslösung zur aktuell (noch) 0,9-prozentigen Garantie durch einen einzelnen Versicherer.

Aber welcher Wandel verläuft schon linear. Umfragen zeigen auch nur begrenzt ein zuverlässiges Bild. Es kommt wie üblich auf die Fragestellung an.

„Ich würde generell keine Betriebsrente ohne Garantien akzeptieren“ – das sagten um die letzte Jahreswende in einer von Signal Iduna in Auftrag gegebenen Befragung 30 Prozent der Befragten. Sicherheit als wichtigste Eigenschaft einer Betriebsrente bestätigt auf den ersten Blick die neueste Umfrage von Deloitte, aber Garantie ist nur 19 Prozent der Befragten so wichtig.

Ein Drittel, das auf Garantien Wert legt, können wir aus der MetallRente Jugendstudie 2019 bestätigen. Aber eine Zweidrittel-Mehrheit würde zugunsten der Aussicht auf höhere Rendite auf Garantien verzichten und Schwankungen von Renten in vertretbarem Rahmen akzeptieren. Junge Menschen sehen Fragen um Sicherheit und Garantie offenbar lockerer (oder rationaler?), als in der allgemeinen Debatte bisher wahrgenommen.

Allerdings – faktisch alle Befragten verschiedener Studien haben auch eine psychologische Untergrenze, die die sattsam erforschte Verlustaversion voll bestätigt – den Erhalt geleisteter Beiträge. Dies scheint eine zentrale Voraussetzung aller Akzeptanz kapitalgedeckter Systeme zu sein.

Skepsis in den Gewerkschaften ist allzu verständlich. Die IG Metall hat auf ihrem vergangenen Gewerkschaftstag einen Leitantrag verabschiedet, der Sicherheit und Arbeitgeberhaftung betont. Gleichzeitig hält man sich alle Optionen für Verhandlungen offen. Tarifpolitik ist wie Mikado – erste Bewegung ist erster Verlust.

In der Chemiebranche scheint es das Thema gar nicht zu geben, glaubt man der Forderung der IG BCE zur Tarifrunde. Dort ist die Gewerkschaft in komfortabler Position. Sie hat bereits viel gute Versorgung erreicht. Die Branche hat eine besonders ambitionierte Tradition der bAV, auf der man tarifpolitisch gut aufbauen kann.

Es ist notwendig, durch die Brille der Gewerkschaften zu schauen: Rentenpolitik als reine Verteilungspolitik. Es geht darum, wer zahlt wie viel ein zur Finanzierung des Alters. Demografischer Druck oder Sozialabbau, das sind nur Chiffren – die Arbeitgeber haben in den neunziger Jahren die paritätische Finanzierung erfolgreich abgesenkt und damit die Lohnnebenkosten limitiert.

In Erwartung des Berichtes der Rentenkommission werden Debatten vorbereitet. Der Oktober-Bericht der Bundesbank simuliert eine Indexierung von Rentenalter an Lebenserwartung und nennt bis 2070 ein Alter von über 69 Jahren. Das ist noch lange hin, aber die Presse greift es sofort auf. Der mit 24 Milliarden dotierte Staatsfonds für die Atommüllentsorgung „Kenfo“ wird nach der ersten Renditemeldung sogleich als rentenpolitische Blaupause in die Diskussion gebracht. Die RenKo wird genau darauf eingehen und wenig vorzuweisen haben, was eine andere Richtung andeutet. Ja – natürlich – eine vereinfachte Riesterrente als Standardprodukt pikanterweise wohl eher ohne Beitragsgarantie.

Diese Vorstellungen sind an der neuen - fälschlicherweise „rein“ genannten - deutschen Beitragszusage zu messen. Sie ist im Unterschied zu internationalen DC-Modellen ja gerade nicht rein, sondern guided durch Kollektivität und Kapitaldeckungsgrade. Es liegt auf der Hand, dass es in den als semi-obligatorische individuelle Spartöpfe konzipierten Staatsfondskonzepten der dritten Säule an all dem mangeln wird, von der Gewährsträgerschaft der Sozialpartner ganz zu schweigen.

Das ewige politische Dilemma: Feinarbeit am Bestehenden ist weniger lukrativ, als das Treiben neuer Tierchen durchs Dorf, sei es am Ende auch eine Alibiveranstaltung, welche die Breite der Erwerbstätigen nicht adäquat versorgen hilft. Dabei gibt es noch zu tun: Doppel- respektive Vollverbeitragung, Fördergrenzen im Falle von Tarifabschlüssen, um nur die drängendsten zu nennen.

Das erste wird nicht das letzte Sozialpartnermodell bleiben. Ob ausgerechnet die Versicherungsbranche damit die Schleuse zu Firmentarifverträgen anstelle eigentlich angezielter Flächentarifverträge öffnet, bleibt abzuwarten. Im Sinne einheitlicher, verlässlicher Maßstäbe wäre eine Zerklüftung nicht wünschenswert.

Ob erste, zweite oder dritte Säule – die Rentenkommission wird Vorschläge machen. Ob mit oder ohne explizite Garantien – die Tarifparteien können Fakten setzen.

Autor: Heribert Karch, Geschäftsführer MetallRente