Karch fragt nach: heute mit Traute Meyer

interview karch fragt nach

Ohne eine konsequente Reform des deutschen Rentensystems werde die Zunahme von Altersarmut bis hinein in die Mittelschicht nicht verhindert. In der Gesprächssendung der MetallRente „Karch fragt nach!“ forderte Prof. Dr. Traute Meyer deshalb eine gesetzliche Mindestrente und die flächendeckende Verbreitung von Betriebsrenten.

Die Einführung des 3-Säulen-Modells im Jahre 2001 sei nur ein „halbgarer Versuch“ gewesen, so Prof. Meyer. In Deutschland sei die erste gesetzliche Säule zwar drastisch gekürzt worden. Auf verpflichtende Elemente zusätzlicher Altersvorsorge sei jedoch verzichtet worden. Die Rentenkürzungen haben die deutsche Altersversorgung heute unter das Niveau vergleichbarer westeuropäischer Länder gedrückt, wie OECD-Erhebungen belegten. 

Die negativen Auswirkungen der Rentenreformen der vergangenen Jahre würden sich in rund 30 Jahren in vollem Umfang zeigen. Wer 2009 in Deutschland ins Erwerbsleben eingetreten sei und ein durchschnittliches Einkommen beziehe, könne später im Ruhestand nur noch mit einer Rente rechnen, die etwa in Höhe der Grundsicherung liege. Anders als im nach dem Ökonomen und liberalen Politiker William Henry Beveridge benannten Sozialstaatsmodell, dessen Vorschläge den Aufbau der sozialen Sicherungssysteme in Großbritannien nach dem II. Weltkrieg prägten, habe man in Deutschland versäumt, die zweite Säule, das System der Betriebsrenten, gründlich auszubauen. Konsequenter als in England sei dieses Modell in den skandinavischen Ländern, den Niederlanden und in der Schweiz verwirklicht worden. Typisch für diese Staaten seien eine einkommensunabhängige Grundrente und eine verpflichtende Betriebsrente. Beide Elemente fehlten in Deutschland, so Traute Meyer. Nur kollektiv organisierte Betriebsrenten könnten aber langfristig die Kürzungen der gesetzlichen Rente kompensieren. Private individuelle Altersvorsorge sei dazu nicht in der Lage. Frauen und Menschen mit geringer Qualifikation seien die Hauptrisikogruppen und Messlatten für die Tauglichkeit eines Systems. Traute Meyer: „Ein konsequent ausgebautes Beveridge System ist heute leistungsfähiger als das Bismarck-Modell. Ich rate dringend zum grundlegenden Umsteuern.“

Gewerkschaften sind gefordert

Wolle man gegensteuern, brauche man heute Entscheidungen. Neben der Politik seien vor allem die Gewerkschaften gefordert zu handeln, um drohender Altersarmut entgegenzuwirken. Gerade eine wichtige Rolle der Gewerkschaften sei typisch für die erfolgreichen Systeme nach dem Beveridge-Modell.

Prof. Traute Meyer lehrt seit 15 Jahren „Vergleichende Sozialwissenschaften“ an der University Southampton in Großbritannien. In ihrer Untersuchung „Zwischen Beveridge und Bismarck“ hat sie diese beiden Rentenmodelle auf den Prüfstand gestellt.

In der Gesprächssendung der MetallRente „Karch fragt nach!“ nehmen herausragende Sozialpolitiker, Wissenschaftler, Arbeitgeber und Gewerkschafter zu Fragen der Rente und der betrieblichen Altersversorgung  Stellung. Weitere Videos aus der Reihe: Gespräche mit Sandra Navidi, Sahra Wagenknecht, Prof. Jürgen Stark, Georgios Papandreou, Prof. Bert Rürup, Wolfgang Gründinger, Walter Riester und Dr. Thomas Schanz.

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